Predigt

Anfang 2025

Die Berufung des Mose – Der brennende Dornbusch

2. Mose 3,1-10

3 1 Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Steppe hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb. 2 Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde. 3 Da sprach er: Ich will hingehen und die wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt. 4 Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. 5 Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!
6 Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen. 7 Und der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. 8 Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Lande in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter. 9 Weil denn nun das Geschrei der Israeliten vor mich gekommen ist und ich dazu ihre Not gesehen habe, wie die Ägypter sie bedrängen, 10 so geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.

Liebe Gemeinde,

wir hören hier den Anfang einer großen Geschichte. Wir hören davon, dass Gott, salopp gesprochen, sich einen ganz bestimmten Menschen ausguckt. Der soll etwas Großes und etwas sehr Besonderes tun.
Und ich weiß nicht warum aber, mein erster Gedanke ist: Trump!
Das ist doch auch einer – zumindest behauptet er das von sich -, dass er von Gott vor eine besondere Herausforderung gestellt ist. Ja, er sei bei dem Anschlag auf ihn von Gott bewahrt worden. Warum? Eben um dieser großen Aufgabe nachkommen zu können.
Es ist ja interessant. Immer wieder behaupten Menschen, Gott habe sie auserkoren für große Dinge. Aus dem Geschichtsunterricht wissen wir es noch. Im Mittelalter, ja bis ins 19. Jahrhundert, verstanden sich die Könige als „von Gottes Gnaden“ eingesetzt und legitimierten damit ihre Macht. Das war die Grundlage des sog. „Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation“. Und sogar der von mir verehrte Martin Luther hat, als die Bauern aufbegehrten, ihren Freiheitskampf mit dem Gottesgnadentum der Fürsten und der Obrigkeit bekämpft. –
Ein Herrscher von Gottes Gnaden hat vollkommene Machte. Gegen ihn kann niemand argumentieren. Seine Herrschaft kann auch nicht enden, sofern Gott sie nicht beendet. Und wenn das alle glauben, dann ist der König fein heraus! –

Das erste, liebe Gemeinde, was wir dem heutigen Bibeltext entnehmen können: Alles Fake! Keine News, aber Fake!
Der Unterschied ist schon eklatant.

  • Mose wird wohl von Gott berufen, aber er beruft sich eben nicht selbst und sagt dann, dass Gott ihn berufen habe.
  • Mose wird auch nicht umfassend für alles, was er tun wird, legitimiert, sondern ihm wird eine sehr spezielle Aufgabe zugewiesen.
  • Und er möchte sie auch erst gar nicht annehmen – Warum nicht? Weil er ein Gespür dafür hat, dass er es mit Gott zu tun hat – er der kleine Mensch mit dem großen Gott. Er ist also demütig: „Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.“ Das ist die angemessene Haltung Gott gegenüber, nicht die Großspurigkeit. –

Nun sitzen wir heute Morgen hier in der Kirche. Das ist kein Zufall. Es hängt auch damit zusammen, dass Mose damals berufen worden ist. Kurz erzählt: Das Volk Israel wurde durch ihn befreit; es siedelte sich in dem Land an, in dem es auch heute wieder lebt. Aus dem Volk stammt Jesus Christus, zu dem wir uns bekennen.

Und dann frage ich mich doch. Gibt es das nicht doch auch heute, dass Menschen quasi direkt von Gott berufen sind und in seinem Namen etwas tun? Oder anders gesagt: dass Gott mit einem Menschen heute Geschichte schreibt?

Ich erkenne in dieser Berufung des Mose gewiss eine einmalige Situation damals. Sie ist eine Episode in der Geschichte Israels, unser Predigttext ein Text der jüdischen Religion, der eine einmalige geschichtliche Beauftragung festhält. Gott geht mit seinem Volk in der Geschichte weiter. Er lässt es nicht verkommen im Frondienst in Ägypten. Und dafür braucht er Mose.

Aber auch das ist ja klar. Ohne andere wäre die Geschichte auch nicht weitergegangen. Und so denke ich, können wir hier ein Beispiel für Gottes Auftrag an einen Menschen sehen. Ganz gewiss ist es ein besonderes Beispiel. Aber es lässt darüber nachdenken, wer denn die anderen sind, die berufen sein könnten.

Andere Biographien fallen mir ein:
Paulus. Er wurde bekanntlich in seinem sog. Damaskuserlebnis vom Saulus zum Paulus. Ohne ihn gäbe es einen großen Teil des Neuen Testamentes nicht. Er hat unterschiedlichste Gemeinden bis nach Europa hin gegründet.
Oder – großer Sprung – die Reformatoren. Martin Luther erlebte es, dass er in seiner Gewissensnot den gnädigen Gott in Jesus Christus fand und hob dadurch die mittelalterliche Welt aus den Angeln.
Johannes Calvin hat von eine subito conversio berichtet, einer plötzlichen Veränderung oder Bekehrung, einer Hinwendung zunächst zum Humanismus und dann zum christlichen Glauben, wie ihn die Reformation verstand. Er hat in vielerlei Hinsicht der reformatorischen Kirche ein weiterführendes Erbe vermacht.
Paul Gerhard. Der Liederdichter stammte aus einer Wirtshausfamilie. Er hat seine Lieder auf dem Hintergrund des bestialischen 30jährigen Krieges geschrieben – und bis heute werden sie gesungen und als tröstlich empfunden. Ganze Generationen sind von ihm geprägt worden.
Dietrich Bonhoeffer. Er hat gegen den Willen seines Vaters, der Professor für Psychiatrie war, Theologie studiert und wurde Pfarrer. Mit seinem Leben und seinen Schriften hat er gezeigt, was es bedeuten kann, als Christ mit aufrechtem Gang durch diese Welt zu gehen. Wäre Christsein nach Auschwitz ohne diese Menschen – er war ja nicht der einzige – überhaupt denkbar?
Oder Johann Heinrich Jung genannt Stilling. Wir haben ja hier oben den Jung-Stilling-Weg. Die meisten können mit dem Namen vielleicht wenig anfangen. In seiner romantischen Lebensgeschichte hat der aus einfachen Verhältnissen stammende Arzt und Begründer der Staroperation beschrieben, wie man sein Leben in der Hand Gottes leben kann.

Ja, es geht auch nach Mose. Nicht immer so groß. In Vielem auch anders.
Meist nicht so geschichtsträchtig. Aber doch fortwirkend. –

Und dann kommen wir selbst in den Blick.
Gottes Geschichtsschreibung mit uns? Mit mir?
Da muss ich erst einmal schlucken.
Doch ich würde sagen: ja!
Und dann kommt mir der Gedanke: die Unscheinbaren sind in der Überzahl!

Also, ich glaube tatsächlich, dass wir die Mosegeschichte so weit herunterbrechen können, dass wir nach uns selbst fragen können.

Wir sind auch berufen. Wir haben heute sogar schon einen Menschen unter die Berufung Gottes gestellt. Wir haben getauft. „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen.“ Das steht hier unter dem Taufbecken. Ein Bibelvers aus Jesaja (43,1).
Eine Zusage steht über unserem Leben. Über dem Leben eines jeden Getauften: „Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht,“ um sie noch einmal mit dem Taufspruch zu benennen. Das gilt für unser ganzes Leben, ja für Getaufte tatsächlich über die Grenze des physischen Lebens hinaus. Das ist das christliche Bekenntnis.

Und das gehört unbedingt dazu: Mit der Zusage Gottes sind wir auch in eine Verantwortung gestellt. Wie wir sie zu erfüllen haben, das kann nur jeder für sich selbst wissen.
Aber es ist nicht gleichgültig, wie wir leben, was wir sagen, was wir tun. Es hat immer Wirkungen und Nebenwirkungen und manchmal auch langfristige Folgen, die wir gar nicht überblicken können.

Gott legt es uns vor die Füße, wenn er meint, dass wir aktiv werden sollen.
Vielleicht kennen wir auch einen „Brennenden Dornbusch“? Er brennt etwas in uns. Es brennt etwas in mir, was mich nicht versengt. Und da werde ich neugierig, was es ist, und wenn ich es erforsche wie Mose, dann begegnet mir das, was Gott mir vor die Füße legt.

Vielleicht verschreibt sich eine/r einer größeren Aufgabe, etwa im diakonischen Bereich, in den vielfältigen Aktivitäten der Kirchengemeinde,
Arbeit mit Kindern, Jugendlichen, Leitung der Gemeinde …?

In jedem Fall gilt, dass sich durch mich etwas von Gottes Liebe und seinem segnendem Tun fortpflanzen kann. Und wenn sich etwas fortpflanzt, pflanzt es sich auch weiter fort …

Und das sei hinzugefügt: Gott beruft keine Heiligen! Das sehen wir, wenn wir in die Vorgeschichte bei Mose gucken. Er hatte, wenn auch aus Gerechtigkeitssinn, einen Mann erschlagen! Da sind wir ja wahre Engel gegen.
Liebe Gemeinde,
ich denke, es ist klar. Dieser Predigttext kann uns aufmerksam machen, auf uns zu horchen, in uns hinein zu horchen. Er kann uns bewusst machen, dass ein Christenmensch Teil einer größeren Bewegung in seiner Zeit ist. Er kann uns sensibel machen für Kleinigkeiten im Alltag und Aufgaben, derer es sich zu stellen gilt. Er kann uns sensibel machen für die Notwendigkeiten gegenüber anderen.

Viele Ausleger rufen angesichts dieser Berufungserzählung des Mose dazu auf, auf Begegnungen mit Gott aufmerksam zu werden. Ich meine, dass das zu kurz greift.
Wir können alle auf Begegnungen mit Gott sehen im Gebet, in einer Kirche, im Alltag, in den Wundern der Schöpfung, bei der Lektüre der Bibel, wenn wir im Krankenhaus Beistand brauchen oder wenn wir einen Menschen zu Grabe tragen und uns Tod und Ewigkeit nahe kommen …

Es kommt darauf an, meine ich, aus den Begegnungen zu schöpfen und die eigene Bestimmung zu reflektieren. Und wer das tut, für den ergeben sich Folgen; die stellen sich von ganz alleine ein. Und wir werden wissen, was Gottes Geschichte mit der Welt weiterbringt – mit eigenem Tun …
Amen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.