„Bilder der Ökumene“ zwischen der Ev. Kirchengemeinde Elberfeld-Südstadt/Johanneskirche und der Katholischen Gemeinde St. Hedwig
2024 wurde ich von Seiten der Katholischen Gemeinde St. Hedwig am Hahnerberg gebeten, „Bilder der Ökumene“ für ihr Mitteilungsblatt „Fokus“ (Herbst 2024) zu beschreiben. Dass hier der so nicht veröffentlichte ungekürzte Text publiziert wird, bedeutet allerdings nicht die vollständige Erfassung aller ökumenischen Aktivitäten der beiden Partnerschaftsgemeinden zwischen 1998 und 2019, der Zeit, in der ich Verantwortung an der Johanneskirche trug.



Im Rückblick auf die Ökumene zwischen der katholischen St. Hedwig am Hahnerberg und der evangelischen Johanneskirche auf der anderen, der östlichen Seite des Von-der-Heydt-Parks tauchen vor meinem inneren Auge zahlreiche Bilder auf. Die wichtigsten möchte ich hier beschreiben.
Das erste Bild bringt mir eine lange Menschenkette auf dem Hauptweg des Von-der-Heydt-Parks zwischen unseren Kirchen ins Gedächtnis. Sie ist vollkommen geschlossen. Es ist dunkel. Junge, Alte, Familien, Einzelpersonen, alle haben eine Kerze in der Hand. Sie warten, schauen nach links. Von dort muss sie kommen. Und tatsächlich, sie kommt – die Partnerschaftsvereinbarung. In Form einer dunkelroten Mappe wandert sie von Hand zu Hand von St. Hedwig zur Johanneskirche.
Die reale Menschenkette gab es am Abend des 21. Oktobers 2005. Die Vertreter*innen der Leitungsgremien unserer Gemeinden hatten die Partnerschaftserklärung im Gottesdienst in St. Hedwig unterschrieben. Eine in langen Jahren gewachsene Ökumene bekam an diesem Abend einen verbindlichen Rahmen. Nun war es amtlich: „Ökumenische Partnerschaft gehört zu den Grundanliegen des Lebens unserer beiden Gemeinden.“ Katholisch-evangelische Ökumene war also Mitte der 2000er in der Elberfelder Südstadt kein Anhängsel zur Gemeindearbeit, nicht nur ein Arbeitsbereich unter vielen, nicht nur das Hobby einiger weniger, sondern ein „Grundanliegen“. – Es sei noch bemerkt, dass wir in der Johanneskirche anschließend ein großes Fest mit biblischen Gerüchen und Köstlichkeiten und anschließendem Tanz gefeiert haben.
Partnerschaftsvereinbarung St.Hedwig-Johanneskirche – Folder zum einjährigen Jubiläum – Gestaltung und Realisierung: Dirk Longjaloux
Der Blick meines inneren Auges fällt als nächstes auf das Titelblatt eines schlichten weißen mit schwarzen Lettern versehenen, Din-A-5 formatigen Gemeindebriefs des damaligen evangelischen Doppelbezirks Johanneskirche-Hahnerberg aus dem Herbst 1973. Es handelt sich um die Ausgabe 3/1973. Mein Vorvorgänger Eberhard Röhrig hat hierauf neben die Angabe „Bezirke Johanneskirche und Hahnerberg“ handschriftlich ergänzt: „und kath. Gemeinde St. Hedwig, Hahnerberg“. Die Ausgabe 1/1974 war dann tatsächlich die erste ökumenische Ausgabe von Johanneskirche und St. Hedwig. Die Ära der ökumenischen Gemeindebriefe war ins Leben gerufen. Sie wurde auch beibehalten, als ein Gesamtgemeindebrief in der evangelischen Gemeinde die Bezirksbriefe ersetzte.
Das nächste Bild vor meinem inneren Auge zeigt den in hellem Messgewand auf der Kanzel der Johanneskirche predigenden Paul Meisenberg. Immer am Buß- und Bettag im Herbst stand er dort (später dann Markus Boos). Mit Bedacht, Scharfsinn und theologischem Sachverstand warb er für die ökumenische Gemeinschaft. Paul favorisierte das ökumenische „Modell der versöhnten Verschiedenheit“. Es bietet Raum für viel Gemeinsamkeit, ohne dass eine Seite sich verbiegen muss.
Der „Gegenbesuch“ in St. Hedwig am letzten Sonntag im Januar kommt mir dann in den Sinn.
Es erscheint mir der gläserne Ambo und auf ihm das Lektionar, feierlich von Messdienern abgelegt. Hinter dem durfte ich stehen. Ich traute mich kaum, ihn mit meinen geschwitzten Fingern anzufassen. Es hat mich damals tief berührt, welches Vertrauen die Gemeinde St. Hedwig in den evangelischen Pfarrer ganz selbstverständlich setzte, wo doch aus Rom eher andere Töne zu hören waren.
Das nächste Bild: ich sehe mich aus der Johanneskirche auf den Vorplatz treten. Dort wartet eine große Menge katholischer Gemeindeglieder. Es ist Palmsonntag, 11 Uhr. Der evangelische Gottesdienst ist beendet und nun prozessieren wir, allen voran die Messdiener*innen, nach der Segnung der Ilex-Palmwedel singend durch den Park nach St. Hedwig.
Im Jahr 2000 gab es den großen ökumenischen Aufbruch „Gemeinsam im neuen Jahrtausend“. Wir haben Silvester 1999 zusammen Gottesdienst gefeiert und dieses bedeutsame ökumenische Jahr mit dem Buß- und Bettagsgottesdienst abgeschlossen. Zu den Veranstaltungen gehörte auch die erste gemeinsame „Lichtfeier“ am Ostersamstag. Mein inneres Auge fällt da auf einen riesigen Kreis von Menschen, die in Mehrfachreihen in gehörigem Abstand um ein hoch aufloderndes Feuer stand. Hunderte waren es, die von allen Eingängen auf die große Wiese des Von-der-Heydt-Parks zum „Osterfeuer“ geströmt waren. Sie applaudierten, als wir über die Lautsprecheranlage verkündeten, dass nun Katholiken und Evangelische gemeinsam ihren Weg gehen wollen. Es war das erste große ‚Parkhighlight‘ unserer Gemeinden.
Mein nächster Blick fällt auf eine sog. „gestaltete Mitte“. Von Frauen unserer Gemeinden ist vor dem Altar der Johanneskirche eine große blaue Decke ausgebreitet worden. Darauf finden sich liebevoll gestaltet Früchte, Blumen und Accessoires, die aus einem fremden Land stammen. Es ist der erste Freitag im März. Der „Weltgebetstag der Frauen“ wird heute gefeiert. Die ökumenische Vorbereitungsgruppe wird die Texte, Gebete und Meditationen lesen. Die Lieder werden gefühlvoll sein. Ich kann mich als Pfarrer zurücklehnen. Ich werde einfach nur dabei sein und darf den Gottesdienst genießen. Im nächsten Jahr werden wir in St. Hedwig feiern.
Das nächste Bild. Auf dem Garderobenständer im Foyer der Johanneskirche direkt vor dem Eingang zur Bücherei hängt eine Unzahl kleiner Anoraks. Mein Blick fällt dann durch die Glastüre in die Bücherei. Da sitzen viele Kinder auf Kissen auf dem Boden und lauschen interessiert den Mitarbeiterinnen. Leseförderung, ja eine ganze Büchereiarbeit ökumenisch, wer hat das schon?! Welch ein Engagement ohne Konfessionsgrenzen – und das über Jahrzehnte!
Ein ganz anderes Bild: Im Saal von St. Hedwig sitzen an einem „Ökumenischen Abend“ in großem Halbkreis etwa zwei Dutzend ökumenisch Interessierte. An Tischen ihnen gegenüber Paul Meisenberg und ich. Ich schaue ins Gesicht eines engagierten katholischen Mitarbeiters. Er fragt mich, den evangelischen Pfarrer, was ich am Katholizismus schlecht, vor allem aber, was ich gut an ihm finde. Die Herausforderung spüre ich noch heute – und bin heute noch dankbar für die Frage; denn niemals sonst habe ich so differenziert Bekenntnis ablegen müssen und dürfen.
Die „Ökumenischen Abende“ fanden übrigens jährlich an drei aufeinanderfolgenden Mittwochabenden zu einem theologischen, i.d.R. ökumenisch relevanten Thema statt. Namhafte Referenten, meist Theologieprofessoren, wurden gefunden, die das Thema aus katholischer und evangelischer Sicht darlegten. Oft diente der dritte Abend dem Austausch über das Gehörte. In meinen Unterlagen finde ich noch die Themen: Das 2. Vatikanische Konzil, Kirchliches Amt, Eucharistie-Abendmahl, der Islam, Armut im Sozialstaat, Ökumenischer Kirchentag, Sühnopfertheologie, Reformation, Familie. Ausführungen zum Gotteslob und zum Evangelischen Gesangbuch beendeten 2015 die Reihe der Ökumenischen Abende. Das Format zog nicht mehr. Es kamen nur noch wenige Interessierte. Schade!
„Feliz Navidad!“ Eine grölende Kindermenge, allesamt Schülerinnen der Grundschule Küllenhahn, wippt und tanzt außer Rand und Band vor den Bänken in der Hedwigskirche. Dieses Bild vom Ende der Weihnachtsschulgottesdienste bleibt unvergesslich. Die Band und Sängerinnen unter Leitung von Gudrun Ditgens heizten den Kindern kräftig ein. Auch die Lehrerinnen und die Seelsorger, Markus Boos und ich und die zu diesem Anlass an der Ökumene beteiligte Küllenhahner Pfarrerin Sylvia Hartmann konnten sich dem nie entziehen. Weihnachten als ökumenisches Stimmungshighlight!



Ein leidenschaftsloses Bild: Im Saal der Johanneskirche sitzen an Tischen in einem großen Rechteck die, die in St. Hedwig die Leitung der Gemeinde verantworten, ebenso einige evangelische Presbyteriumsmitglieder. Sie tauschen sich über die Veranstaltungen des Jahres aus und denken über ein grundsätzliches ökumenisches Thema nach. Natürlich essen sie miteinander. Das Bild strahlt im Wesentlichen etwas müde Pflichterfüllung aus; denn die ökumenische Arbeit lief ja. So war es, das sog. „Treffen der Leitungsorgane“.
Aber die Partnerschaftserklärung will es alle zwei Jahre so, „um den Verlauf der Partnerschaft zu überdenken und Perspektiven zu entwickeln.“
Die Partnerschaft lief übrigens zeitweilig sogar so gut, dass gar nicht alle Veranstaltungen beibehalten werden konnten. Dieses Schicksal erlitt etwa der „Ökumenische biblische Gesprächsabend“ schnell. Nach gelungenem Auftakt wurde er nach wenigen Abenden wieder eingestellt. Es war einfach zu viel der Ökumene!
Ein weiteres Bild, das vor meinem inneren Auge auftaucht: ich sehe zwei Sängerinnen mit Mikro in der Hand, dahinter ein Keyboarder. Es ist der „Gospeltrain“. Vor dem Pavillon im Von-der-Heydt-Park heizen die drei den Gemeindegliedern von St. Hedwig und der Johanneskirche mächtig ein, animieren zum Mitsingen und zum Klatschen.
Das Bild beschreibt das Ende des ökumenischen Festes am 21. Juni 2009, das den Höhepunkt des Doppeljubiläums „110 Jahre Kirchen am Von-der-Heydt-Park“ markierte. Begonnen hatte der Tag mit einem OpenAir-Gottesdienst und dem anschließenden Unterschreiben der sog. „Charta Oecumenica“ durch die Gemeindeleitungen und Gemeindeglieder. Neben der Partnerschaftsvereinbarung gibt es also eine weitere Verpflichtung zum Zusammenspiel der Gemeinden.
Der letzte Blick meines inneren Auges fällt auf eine Weinflasche mit einem roten Etikett. „Stassen“ steht darauf. Oh wie mundet dieser Rotwein! Jürgen Staßen brachte stets zu den Sitzungen des vierteljährlich tagenden Ökumenischen Ausschusses der beiden Gemeinden eine Flasche vom Weingut seines Vetters mit. Und in jeder Sitzung gab es ein Gläschen. Eine wunderbare Stärkung der ökumenischen Freundschaft! Es gab immer nur gute Beratungen! So kann Ökumene gelingen!













